Vom Boden nach oben – Teil 2

Die Zeit des Wartens

Geduld war gefragt. Das war allerdings kein leichtes Unterfangen: Geduldig zu sein, bei absoluter Vorfreude, war für mich noch nie eine leichte Aufgabe. Und nun mussten wir über sechs Wochen auf unser Dachzelt warten – Eine sehr lange Zeit!

Stephan war während der Wartezeit sehr fleißig und vertieft in seine Projekte: Der selbst konstruierte Kofferraum-Ausbau aus Sperrholz stand auf dem Plan. Praktisch und funktional sollte er sein, die Schönheit war erstmal zweitrangig – Wir wollten los! Projekt Nummer 2: Eine zweite Batterie soll in den Kombi, denn das Bierchen muss kalt sein. Kurz gesagt – Er war im Tunnel. Wenn er ein Projekt vor sich hat, vergisst er nicht nur die Zeit, sondern auch das Essen und Trinken. Also unterstützte ich ihn auch in diesem Fall, indem ich ihm Kaffee brachte und ihn mit Essen lockte.

Stephan ist in seinem Element – Er werkelt an unserem Kofferraumausbau

Während Stephan also plante, baute, entwickelte und durch und durch produktiv war, träumte ich von unseren Urlauben und den ersten Reisezielen.

Der Große Tag rückt näher

Die Spedition hatte angekündigt, dass das Zelt kurz vor Ostern ankommen würde. Und zufälliger Weise hatten wir in den Osterferien eine Woche zusammen Urlaub geplant. Da sich kurz zuvor unsere ursprünglichen Urlaubspläne ohnehin geändert hatten, kam uns der Liefertermin ganz gelegen. So konnten wir unser neues Zelt schnellstmöglichst ausprobieren. Dummerweise war zu Ostern nicht nur der Liefertermin sondern, auch Schnee angekündigt! Also mussten wir die Option eines weiten Weges in Kauf nehmen, um nicht direkt mit Minusgraden zu starten.

„…Und wenn der Schnee wirklich kommt, was ich nicht glaube, dann fahren wir halt so lange in den Süden, bis es wieder warm ist…[ ] ..Wer weiß, vielleicht landen wir in Italien…“

Ein blick von unserem Balkon kurz vor der Lieferung – Der Norden ist weiß!

Unser Dachzelt ist da!

Endlich: Ein Anruf mit einer mir unbekannten Vorwahl – Die Spedition ruft an. Aus dem kurzen Gespräch ging hervor, dass der Liefertermin schon in zwei Stunden sei. Da war nicht viel Zeit – Stephan setzte alles daran, die Lieferung in diesem kleinen Zeitfenster abzufangen. Fast zeitgleich fuhr er mit dem Speditions-LKW in unsere Straße hinein und kümmerte sich um den „Wareneingangscheck“. Punktlandung im letzten Moment – Ab dahin sollte uns dieses „Talent“ noch öfter auf und vor unseren Reisen begegnen….

Da stand es nun: Ein riesiges Paket draußen an die Hauswand gelehnt. Nur wir wussten, was sich darin verbirgt. Geheimnisvoll, denn die Form ließ eher auf einen übergroßen Flat-TV schließen.

Vorsichtig packten wir das Paket aus, entfernten das Styropor und die Schutzfolie , die um das reinweiße Zelt gewickelt war. Wir trugen es behutsam in unseren Lagerraum, stellten es auf eine provisorisch errichtete Trägerkonstruktion und kurbelten es langsam auf. Schon das Probeliegen am Boden überzeugte uns. Es war viel geräumiger, als wir gedacht hatten. Kuschelnd zwischen Gartenwerkzeugen und dem Geruch von Rasemäherbenzin mit Grasabschnitt träumten wir von unserer ersten Nacht in der „Wildnis“. Wo die wohl sein würde?

Stephan beschäftigten mal wieder eher die technischen Fragen: Passt das Ding aufs Auto? Wie schnell kann man damit Fahren? Hoffentlich ist das nicht zu schwer?! Die passenden Träger für unseren Kombi waren schon vor ein paar Tagen geliefert worden, und natürlich auch schon montiert.

Bei der Montage halfen uns Freunde. Ich traute mich nicht das 60 kg schwere Zelt auf das Autodach zu hieven. Ich hatte zu großen Respekt davor, das Zelt oder das Auto zu beschädigen. Im Nachhinein völlig unbegründet – die Montage auf dem Kombi war eine super einfache Angelegenheit.

Die erste Nacht auf dem Autodach…

… war tatsächlich eine freistehende und wilde Nacht zum testen. Und das wir direkt mit dem Wildcampen angefangen haben, ist uns erst viel später aufgefallen. Jetzt beim Schreiben fällt mir noch was weiteres auf: Obendrein war unsere erste Nacht noch eingebettet in meinen Arbeitsalltag – Ich hatte Frühdienst und am Tag darauf direkt einen Spätdienst – also von der Arbeit zum Stellplatz und vom Stellplatz zurück zur Arbeit. Das ist ja schon fast Van&Work 🙂

Aber bleiben wir erst einmal bei der ersten Nacht: Wir wollten unbedingt am Strand schlafen. Direkt am Meer. Wir wollten beim Wellenrauschen einschlafen und wieder aufwachen. Das war gar nicht so abwegig, schließlich wohnten wir nur 7 km von der Ostsee entfernt. Allerdings reichte der kürzeste Weg für einen geeigneten Stellplatz nicht aus. Wir fuhren ca. 60 km zur Sonneninsel Fehmarn.

Dort testeten wir erstmal ganz klassisch unser Koch-Equipment. Und weil wir ja schon so richtige Hardcore-Camper waren, haben wir den Kocher auf der Rücksitzbank angeschmissen – Kleiner, aber wichtiger Tipp: Aus verschiedenen Gründen ist das Kochen sowie das Braten auf offener Flamme im Auto keine gute Idee…. Bitte nicht nachmachen.

Nach dem Essen machten wir einen Verdauungsspaziergang am Meer entlang und ließen das Auto sehr ausgiebig auslüften. Während des Spaziergangs schauten wir immer wieder zurück zu unserem neuen Schlafzimmer auf dem Autodach. Bis es hinter einer Düne verschwand. Wir waren sehr aufgeregt und spekulierten, was wir nachts wohl alles hören würden. Und ob uns jemand ansprechen würde, oder uns nicht dort haben wollte und vertreiben würde.

Wir spielten im Auto an unserem selbstgebauten Tischchen Rommé und unterhielten uns ausgiebig über die kommende Nacht und den bevorstehenden Urlaub. Ich glaube, ich hatte sogar meine Nintendo Switch mit und spielte eine kurze Runde Zelda – Breath of the wild (wie passend).

Abenteuer Pur

Die Temperaturen der Nacht fielen auf 2°C. Im Zelt fühlte es sich aber nicht ansatzweise so kalt an. Es war durch und durch gemütlich und mega abenteuerlich.

Wir waren vom ersten Moment an verzaubert!

Lektion 1: So romantisch der Stellplatz auch ist – Windkrafträder sind laut! Wir hörten nachts die Dinger mehr als die Wellen.

Lektion 2: Der Geruch von gebratenem Hühnchen und Zwiebeln hält sich sehr hartnäckig im Innenraum von Fahrzeugen – Unser Tipp: Kochen im Freien!

Am nächsten Morgen

Menschen! Und die kommen zu uns! Wir waren uns sicher: Das gibt Ärger! Doch es kam anders: Es war die Neugier, die diese Menschen an unser Gefährt trieb. „… was ist denn das da auf dem Dach…?“„…Da oben kann man drin schlafen?..“

Bis heute hat sich das nicht geändert. Viele kommen auf uns zu und wollen wissen, wie es mit so einem Dachzelt ist. Oder sie erzählen uns, wie sie früher gecampt haben und wo sie waren. Bisher wollte uns niemand vertreiben oder los werden. Im Gegeteil: Wir haben viele interessante Bekanntschaften gemacht. Das Dachzelt hat uns verändert, uns offener gemacht.

Ein Paar wichtige Regeln gib es seit Anfang an für uns: Wir verhalten uns immer respektvoll allen Menschen, Tieren und der Natur gegenüber. Wir halten uns streng an diese selbst auferlegten Regeln beim Wildcampen. Dazu wird es noch einen eigenen Beitrag auf diesem Blog geben.

Der Arbeitstag danach

Der Tag danach fühlte sich so an als wäre ich aus einem Miniurlaub gekommen. Ungelogen: Ich war erholter als nach einem freien Wochenende zu Hause und das, obwohl ich gerade mal 22 Stunden von der Arbeit weg war! Und diese Freude, Energie und Euphorie brachte ich auch mit auf meine Arbeit. Dieses Gefühl bereicherte meinen gesamten Alltag.

Ein kurzer Blick in die Gegenwart

Wir fahren so oft es geht mit dem Dachzelt raus. Wir schaffen uns damit ‚Inseln‘ im Alltag um zur Ruhe zu kommen. Wir suchen die Natur und Abgeschiedenheit, manchmal auch gleichgesinnte Menschen. Wir finden so unsere Zufriedenheit und unsere Erdung. Weg von Steinwohnungen und festen Standorten. Wir lieben es, jeden Tag woanders sein zu können und dem schlechten Wetter zu entfliehen. Dorthin zu fahren, wo wir in unserer Harmonie und unseren Vorstellungen von Glück existieren können. Natürlich tragen und erfüllen wir alle Verantwortungen für Familie und Freunde, Tiere und Arbeit. Aber darüber hinaus suchen wir ein Leben, das sich einfach und frei anfühlt. Ein Lebensstil, der zu uns passt.

Zurück zum Osterurlaub 2018

Der uns tatsächlich zu einem Campingplatz an den Gardasee führte! Norddeutschland wurde mit weißen Ostern gesegnet und es war uns zu kalt und ungemütlich. Also fuhren wir

1.304 km, von -1°C zu +24°C

vom weißen Norden in den heißen Süden

29.03.2018 – 06:50 Uhr am Abreisetag – Wintereinbruch im Norden Deutschlands

Wir tauschten die Winterjacke gegen Flipflops und den grauen Himmel gegen Sonnenschein. Ich holte mir einen deftigen Sonnenbrand und wir genossen das spontane Reisen.

Übrigens: auf dem Weg nach Italien hielten wir oberhalb Münchens für eine kurze Nacht auf einem Wanderparkplatz. Also waren unsere ersten beiden Nächte im Dachzelt, auf ganz bedenkenlose Art und Weise, wild stehende gewesen. Darüber hinaus fuhren wir 2018 fast nur Campingplätze an. Wir blieben dann eine gewisse Zeit an einem Standort und machten uns vertraut mit dem Equipment und dem Leben im Auto.

Der Anfang von etwas ganz Großem

Ab dann ging es eigentlich ganz schnell, oder ganz langsam, wenn man es auf das Reisen bezieht. Wir tasteten uns immer weiter vor in das Abenteuer „Wildcampen“ und wurden immer mutiger. Auf unseren weiteren Reisen entdeckten wir die schönsten und einsamsten Stellplätze. Darüber wird es hier natürlich auch noch jede Menge zu lesen geben.

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